Ministerin Yvonne Gebauer © MSD Susanne Klömpges

Offener Brief an Frau Ministerin Gebauer

Sehr geehrte Frau Ministerin Gebauer,
wir bedanken uns für Ihre Antwort vom 30.11.2020 auf unseren Brief vom 07.10.2020.

Wir wollen Ihnen nicht verschweigen, dass wir mit der langen Bearbeitungszeit und dem Inhalt Ihres Antwortschreibens nicht zufrieden sind. Wir haben das Gefühl, dass Sie weder letztes Jahr, noch heute, auf unsere Sorgen und Nöte richtig eingehen. Wir fühlen uns im Stich gelassen!

Uns ist es wichtig, die Dinge offen und ehrlich anzusprechen, denn wir finden die aktuelle Lage und wie man mit uns umgeht NICHT OK! Dies ist ein Hilfeschrei, denn wir sehen unsere Zukunft in Gefahr!

Wir haben den Zustand erreicht, dass die meisten von uns denken: „Wir können eh nichts ändern und es bringt alles nichts“. Das gleiche Empfinden erleben wir übrigens auch bei vielen Lehrerinnen und Lehrern. Mit unserer Motivation und unserem Durchhaltevermögen sind wir am Ende. Höchste Zeit, dass Sie mit uns Schülerinnen und Schülern direkt reden, uns ernst nehmen und nicht über unsere Köpfe hinweg entscheiden. Finden Sie nicht auch?

In Ihren veröffentlichten, offenen Briefen reden Sie davon, dass Sie persönlich „voller Zuversicht“ sind, dass wir trotz dieser schwierigen Zeit und der besonderen Rahmenbedingungen „bestmöglich vorbereitet“ unsere Prüfungen absolvieren, alles überstehen werden und stolz auf uns sein sollen.

Bitte wachen Sie auf!

Von Zuversicht, Stolz und Optimismus sind wir als Schülerinnen und Schüler weit entfernt. Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Enttäuschung, Wut, Ohnmacht, Überforderung, Resignation, Sorge um die Zukunft und um die Folgen der Pandemie – das sind die Gefühle, die wir aktuell mit unserem
Schulalltag verbinden.

• Ganz gleich auf welcher Schule und in welcher Klasse wir selber sind, wir erleben Schülerinnen und Schüler, die den ganzen Tag lang, bis in den Abend hinein, an ihren Hausaufgaben arbeiten und keine Zeit für Erholung und Freizeit haben, keinen Raum für ein paar Stunden ohne Sorgen um die Schulnoten. Wir kennen niemanden, der momentan die Schule gut schafft und nicht denkt: „Ich habe mich verschlechtert“ !!!!!!

• Es gab und gibt in 2020 und in 2021 keine gerechten Rahmenbedingungen zur Vorbereitung auf die Prüfungen und keine gerechten Benotungen. Distanz- und Präsenzunterricht kann man nicht vergleichen. Nach einem Jahr mit Corona fällt es uns unheimlich schwer, Motivation und Selbstbeherrschung zu finden und uns komplett eigenständig die Inhalte zu erarbeiten.

• Die infrastrukturelle und technische Ausstattung von Schulen ist nach über einem Jahr „Leben mit Corona“ noch nicht annährend ausreichend geregelt. Wo sind die viel erwähnten Luftreiniger abgeblieben? Offene Fenster, Durchzug, Frieren, überfüllte Busse auf dem Weg zur Schule, kein einheitliches Programm für Online-Unterricht, immer noch nicht für alle Schülerinnen und Schüler vorhandene passende Endgeräte sowie ein ausreichend stabiler Internetzugang – davon können wir Ihnen gerne ein Lied singen! In einem hochentwickelten Industrieland wie Deutschland wünschen wir uns, dass Schülerinnen und Schüler nicht mehr regelmäßig aus dem zugeschalteten Unterricht „rausfliegen“, weil die Internet-verbindung nicht ausreicht.

• Übrigens Hybridunterricht (die halbe Klasse zu Hause, die andere Hälfte in der Schule), ist in vielen Städten und Gemeinden keine Option. In Remscheid werden die Schulen erst nach den Sommerferien 2021 an das Breitbandnetz angeschlossen sein. Bis dahin fehlt ei-ne stabile Leitung. Damit steht Remscheid nicht alleine da!

Wir haben seit Beginn der Pandemie das Gefühl, man macht uns permanent Hoffnungen und nimmt diese dann gleich wieder zurück. Damit zeigt man uns nur, es gibt immer noch keinen Plan, keine Besserung, keine Perspektive. Das macht was mit uns. Man hat uns lange genug zurückge-stellt und keine Lösungen gesucht. Auf Konferenzen hat man mehrfach betont, dass „alle Schülerinnen und Schüler keine Nachteile aus der jetzigen Ausnahmesituation haben werden“!

Aber die Nachteile sind längst da!

Es kann nicht sein, dass wir die letzten in der Reihe sind, um die man sich kümmert. Es kann nicht sein, dass wir als diejenigen, die die Zukunft dieses Landes gestalten sollen, in der Krise als letzte Berücksichtigung finden!

Wir erneuern unsere Forderungen aus dem Brief von Oktober 2020:

1. Gerechte Prüfungen und Benotungen unter Berücksichtigung der Bedingungen vor Ort in einzelnen Städten. Es kann hierbei keine allgemeingültige Lösung für ALLE Schulen in Nordrhein-Westfalen geben, da die baulichen, personellen und technischen Ressourcen sowie die Infektionszahlen und damit verbundenen Unterrichtsregelungen zu unterschiedlich sind.

2. Endlich Umsetzung von nachhaltigen Maßnahmen, um die Lernsituation an ALLEN Schulen nachhaltig zu verbessern!

3. Fortbildungen für Lehrende, um Online-Unterricht besser gestalten zu können. Das umfasst technische Schulung genauso, wie methodische Schulung!

4. Berücksichtigung der Meinungen der Schülerinnen und Schüler – Wir wollen mehr Zusam-menarbeit. Wir wünschen uns ein Gespräch mit Jugendräten/Jugendparlamenten und Schü-lervertretungen. Wir wollen endlich gehört und ernstgenommen werden! Wir wollen gemein-sam mit Ihnen nach Lösungen für das Jahr 2021 und für die nächsten Jahre suchen.

Es reicht!

Jetzt sind endlich WIR dran!

Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag des Jugendrates
gez. Burcu Aksoyek
Vorsitzende


Foto: Ministerin Yvonne Gebauer © MSD Susanne Klömpges